An der Lean Kanban hier in Hamburg haben ca. 300 Personen teilgenommen. Die ganze Konferenz fand angesichts einer sehr internationalen Ansammlung von Sprechern komplett auf Englisch statt, ich vermute, dass ein Großteil der regulären Teilnehmern allerdings aus Deutschland war.
Vorhersagen – Troy Magennis
Ich nahm mit einem Pecha Kucha zum Thema Lean Meetings teil, was mich für den ersten Tag auch erst einmal in Ansprch nahm. So habe ich dann auch die erste Keynote von Troy Magennis vorzeitig verlassen, um mich vorzubereiten. Sein Thema sind Vorhersagen auch unter großer Unsicherheit – mir ist sein Satz hängen geblieben: „Frage die Menschen, die eine Vorhersage von dir möchten, ab wann Sie etwas substantiell anders entscheiden würden.“ – oft ist die Frage, ob etwas teurer als X wird bzw. länger als Y dauert, einfacher und mit weniger Daten zu entscheiden als zu sagen, wie teuer es wirklich wird. (Und insbesondere gehören zu einer Vorhersage immer ein Wert und eine Wahrscheinlichkeit, wie sicher man sich über diesen Wert ist.)
Lean Meetings Pecha Kucha
Ich trug direkt im Anschluss vor. Da ich das Pecha Kucha-Format ein wenig ausreizen wollte, nahm ich noch drei weitere Personen mit auf die Bühne. Danke hier nochmal an Nadja Macht, Sebastian Eichner und Thomas Epping, die sich spontan am Montag bereit erklärt haben, eine Rolle in dem Pecha Kucha zu übernehmen.
Alle Vorträge sind gefilmt worden und werden in einigen Wochen veröffentlicht, daher überlasse ich die Bewertung meines Vortrags lieber Ihnen – mit dem Ergebnis des Visual Recorders, der alle Vorträge der Konferenz visualisiert hat, bin ich schon mal sehr zufrieden.
A story of failure – Tina Dingel
Am ersten Tag hat mich noch der Vortrag von Tina Dingel begeistert, die sehr offen, humorvoll und (besonders auch für sie selbst) berührend über ihre Fehler in einem Internet-Startup gesprochen hat.
The executive trinity – Stephen Bungay
Mein Highlight der Konferenz fand dann am 2. Tag statt: Die Keynote von Stephen Bungay zu „The executive trinity“. Seine These: Für eine erfolgreiche Organisation braucht es nicht nur gutes Management (=“wie man Ressourcen organisiert, um Zielerreichung zu unterstützen“) und nicht nur „Leadership“ (=“Menschen darin zu begleiten, Ziele zu erreichen“), sondern auch eine dritte Komponente, die im Militär „Command“ genannt wird und die er für zivile Organisationen als „Directing“ übersetzt (=“eine Richtung zu geben.“) Insbesondere brauchen diese drei Komponenten sehr unterschiedliche Fähigkeiten; Menschen, die all diese Fähigkeiten in sich vereinen, sind sehr selten. Die Keynote hat für mich einige Fragen auftauchen lassen:
- Wie spielt dies mit generell mit Theorien zusammen, die besagen, dass „Directing“ in einem komplexen Umfeld eben nicht mehr von einigen wenigen Menschen durchgeführt werden kann?
- Kann die Directing-Aufgabe in der Organisation verteilt werden? Wie sieht das dann aus? Was passiert, wenn Directing schwach oder gar nicht ausgeprägt ist?
- Im Art-of-Hosting und in der Theorie U wird häufig von einem Kernteam gesprochen, dass den Zweck/Sinn (engl. „Purpose“) eines Vorhabens in ihrer Mitte lebendig hält. Ist das eine Form von „Directing“?
Spannend waren dabei nicht nur die vielen Fragen, die ausgelöst wurden, sondern vor allem auch der Vortrag. Stephen ist ein brillanter Redner, es war ein Genuss ihm zuzuhören und sich kleine Rednertricks abzuschauen.
Portfolio Kanban – Pawel Brodzinski
Auch Pawel Brodzinskis Vortrag über Portfolio Kanban war sehr hörenswert – besonders interessant die Aussage: „Auf der Portfolieebene ist noch weniger Sichtbarkeit vorhanden als im Projekt“ und die Idee von „WIP-Limits by Conversation“.
Kanban and evolutionary management – David Anderson
In der abschließenden Keynote von David Anderson, die ich ein wenig inhaltsleer fand, kam jedoch eine Hauptbotschaft von David (auch dank des Gesprächs mit Thomas Epping hinterher) klar herüber: Kanban ist ein Vorgehen, dass keinen „Veränderungswiderstand“ auslösen soll. David nutzt dazu die Metapher von Bruce Lee „Sei wie Wasser.“
Für mich würde ich das so zusammenfassen: Bringe Transparenz in ein System und dann vertraue darauf, dass das System und die beteiligten Menschen sich verändern. (In der gewaltfreien Kommunikation gibt es ein ähnliches Vorgehen bzw. einen ähnlichen Glaubenssatz: Wenn Menschen in Kontakt mit ihren Bedürfnissen kommen, dann löst das natürlicherweise eine Verhaltensänderung aus. Niemand braucht dann jemand anderen zu „verändern“.)
Dies ist ein klarer Unterschied und auch eine starke Positionierung gegenüber Scrum.
Und sonst?
Ein übergreifendes Muster war noch, dass viele Argumente in Vorträgen begründet wurden durch psychologische Forschung; insbesondere wurden häufig kognitive Fehler (engl. „cognitive biases“) angeführt. Das Buch von Kahnemann „Schnelles Denken, langsames Denken“ war sicher das meist zitierte Buch der Konferenz. Ich kann Ihnen auch nur empfehlen, es zu lesen.
Danke an it-agile und insbesondere Arne für die hervorragende Organisation und an jimdo für die Videoaufnahmen.
Wenn Sie noch mehr zur Konferenz lesen wollen: Susanne Bartel hat auch einen ausführlichen Bericht geschrieben.